Von Klobrillen im Klüvernetz und Klomuscheltauchern

Gerade stehen wir, Martin, Schnüffel, Puck und ich zur 8-12 Ruderwache an Deck und dümpeln bei etwa zwei Knoten nordostwärts. Wir können dabei deutlich zusehen, wie sich Martins kahlgeschorener Kopf langsam mit grauen Stoppeln füllt. Vom gestrigen aalglatten Babypopo ist nicht mehr viel übrig: das Volk ist einstimmig für eine tägliche Rasur, um sich noch weiterhin tätschelnd an Martins Haupt zu vergnügen.

Balo bricht eine Diskussion über das Einspleißen einer Klobrille ins Klüvernetz vom Zaun, weil das Örtchen am Ruderblatt gerade besetzt ist und sich schon eine Schlange davor bildet. Dazu der Spruch des Tages:

„In diesem Meer, da wohnt ein Geist,
der jedem, der zu lange scheißt,
ganz kräftig in den Arsch reinbeißt.
Mich aber hat er nicht gebissen,
ich hab ihm auf den Kopf geschissen.“

Im übrigen sind die Wellen ein bis zwei Meter hoch und wir machen immer noch nicht mehr als zwei Knoten. Die Frage ist: wann werden wir denn da ankommen, wenn es so weiter geht?

Balo stellt uns in Aussicht, mit dem 37,5°W Breitengrad eine Zeitzone überschritten zu haben. Hier dürfe dann in der 16 - 18 Uhr Wache, die wegen der Zeitumstellung eine Stunde kürzer wird, eine Flasche Port geköpft und gefeiert werden, während der Skipper die Wache allein übernimmt.

Langsam trübt sich der Himmel ein und es wird neblig um uns herum. Ein feuchter Schleier legt sich um uns, der alles klamm werden lässt und die Tropfsteine in unseren Höhlen (Kojen) wieder zum Wachsen bringt. Der vor vier Tagen angekündigte Südwestwind stellt sich natürlich nicht ein. Für mich als Meteorologe eine herbe Niederlage, eingestehen zu müssen, dass die Prognosen seit Beginn des Törns nie sehr zuverlässig waren. Aber es werden bessere Zeiten kommen, wo wir mit acht bis zehn Knoten gegen Brest sausen werden…

Etliche Fischerboote sichten wir hier im Golf von Maine — südlich von Neuschottland und östlich von Boston und New York. Der Golfstrom hat uns schon seit längerer Zeit verlassen. Stattdessen sind wir hier im Einzugsgebiet des Labradorstroms, der mit seinem grün-kalten Wasser im sehr seichten Golf von Maine anscheinend Unmengen von Fisch produziert.

Kurz vor dem Abendessen beschließt Steff, sich als Bilgenputzer zu opfern. Nur in Unterhose steht er heroisch vor dem schwarz übelriechenden Loch, und legt Stück für Stück die Löcher frei, die gewährleisten sollen, dass das Bilgenwasser auch zur Pumpe vordringen kann. Sigrun meint, wir hätten da einen braven Klomuscheltaucher mit an Bord, als Steff freudestrahlend verkündet, dass das Wasser nun wieder einwandfrei durch die gesamte Bilge fließe. Steff zieht es aber vor, sich zuerst mit dem kalten Wasser des Labradorstroms zu duschen, bevor er sich wieder ins Ölzeug wirft.

Auch Tag 20 hat einmal ein Ende, nämlich zu jenem Zeitpunkt als ich gesättigt von Bierweckerl, Käse und Zwiebelringerl in den warmen Schlafsack steige, um von hier aus von der fernen Heimat zu träumen.

Gunther

Mittagsposition: 40°23,4'N 067°42,3'W; Etmal: 75sm