Absolut windstill - unter Motor zum Wind

Der Tag beginnt für meine Wache (Wache 2: Schnüffel, Gunther, Martin und Puck) mit der Hundewache: zunächst ein leichter Luftzug, dann völlige Flaute. Die Oberfläche der See ist völlig glatt und träge, wie Blei. Das Schiff hat keine Ruderwirkung mehr, die Segel hängen schlapp herunter. Es dreht sich dreimal im Uhrzeigersinn um 360° . Gunther hat ein Buch dabei: Briefwechsel zwischen Sofie Scholl und ihrem Freund Fritz Hartnagel, mit einer Biographischen Einführung. Wir lesen uns daraus vor an Deck und so vergeht die Wache sehr schnell. Um vier Uhr übernimmt Wache 1 (Strubbel, Rita, Michael und Alex). Kaum sind wir aus den Plünnen und in den Kojen, werden wir wieder an Deck gerufen: Alle Segel bergen! Balo hatte beschlossen, die Maschine anzuwerfen und gen Südosten zu motoren (und dabei Batterien zu laden, denn der Jockel hatte seinen Geist aufgegeben). Weiter südlich sollte es guten Westwind geben (wir waren inzwischen auf dem 41° n. Br.). Die Schraube ließ sich auf Anhieb nicht einkuppeln, denn an der Kupplung war etwas korrodiert. Solche Wehwehchen sind wir inzwischen gewohnt. So kamen wir erst um 5:15 Uhr wieder unter Deck, wo nun lauter Maschinenlärm das Einschlafen begleitete. Nach 10 Stunden motoren waren wir nun weiter südöstlich, aber kein Hauch des versprochenen Windes spürbar. Die Maschine wurde gestoppt, Wäsche gewaschen und nasse Matratzen an die Sonne zum Trocknen geholt. Ein recht kurzes Badevergnügen war auch dabei, denn im vom Labradorstrom saukalten Wasser hielt es keiner lange aus. Balo, Severin, Martin, Strubbel und Steff wagten einen Sprung von der Stb.-Nock der Fockrah in den Teich. Delphine waren auch zu sehen, sie kamen aber leider nicht wie sonst meist nahe ans Schiff heran.

Der Nachmittag verging mit Segelnähen (Außenklüver), Reparatur des Stb.-Positionslaternenkastens, Singen und Kartenspielen an Deck (mit Sigrun als Gewinnerin). Zwischendurch gab’s einen leckeren Schokoladenpudding und Tee, der wunderbar heiß war bei der inzwischen eher seltenen Sonnenwärme.

Abends kam endlich eine leichte Brise auf, aus Süden, unter fast-Vollzeug setzte sich das Schiff gen Osten in Fahrt. Wir hatten ab 20:00 Uhr Ruderwache, mit einem Rudergänger an Deck, der durchwechselte, den unter Deck wurde noch fröhlich für die CD gesungen.

Puck

Mittagsposition: 40°57,9'N 064°26,3'W; Etmal: 28sm

Zwischeneintrag von Schnüffel

Heute gibt’s wieder Flaute zum Mittag, und zum Abendessen auch, weil noch Flaute vom Frühstück übrig ist. Dafür ist die Mannschaft wieder sauber. Zwar ist das Wasser nicht mehr ganz so warm, wie zu Anfang der Fahrt, aber zum Schrubben der Arme und Beine reicht es dann doch. Und halt zum Flautenbad.

Aber eigentlich will ich doch was ganz anderes schreiben. Unser Außenklüver ist immer noch in Reparatur, und wird es wohl auch noch die kommenden drei bis vier Tage bleiben. Ich fasse also zusammen: Groß: geflickt; Großstag: geflickt; Vorstag: geflickt, nach weiterem Riss ausgetauscht; Innenklüver: geflickt; Außenklüver: geflickt, und ein weiteres Mal gerade wieder in der Segelmacherei; Jager: nie im Einsatz gewesen, dient jetzt als Ersatzteillager für zu flickende Segel; Großstengestag: Löcher erkannt, zu flicken nachdem wieder Platz in der Segelei ist. (Wir haben gerade so derbe Flaute, dass uns die eigene Scheiße vom Ruderquadranten her überholt ;-)) Damit wären nur noch die Rahsegel mit Raffee und Dreikanttop nicht in unserer Mangel gewesen. Rekordverdacht?

Heute morgen ist zum ersten Mal ausgesprochen worden, was eigentlich keiner hören wollte: „Wir müssen unseren Stämmen zu Hause Bescheid geben, dass sie nun ihre Pfingstlagerpläne endgültig ohne uns klarmachen sollen.“ Schottenlager ohne uns, ganz schön deprimierend.

Aber Kopf hoch! Gute Laune hervorgeholt und gesungen: „… solange die gute Laune hält, gibt’s kein’n schön’ren Platz auf der Welt.“

Und irgendwie stimmt das ja auch. Zu Anfang die Falado nur von Bildern gekannt, aus Erzählungen, Legenden, Seemannsgarn, und jetzt ist unsere alte Dame schon für über drei Wochen unser Zuhause.

Ich hab mit jeder erlebten Minute an und unter Deck mehr Vertrauen in unser Schiff gewonnen. Mit zu viel Tuch in den Rahen und richtig Krängung sieht man erstmal, was die Falado kann. Das Rauschen direkt neben deinem Kopf, wenn der Bug die Wellen schneidet, beunruhigt einen nicht mehr, sondern duselt einen in den tiefen schaukelnden Schlaf, den man auf der Falado schläft, zwischen den Wachen, dem Kochen und den gemeinsamen Stunden der Mannschaft in der Messe. Die Falado ist nun ein trautes, sicheres Zuhause auf Zeit.

Ungediegen ist nur die Tropfsteinhöhle, die sich bei der geringsten Gischt oder dem kleinsten Regen einstellt und auch erst zwei Tage nachher wieder verschwindet. Wobei sich das ganz mit unserer ureigenen Bilgenbrandung an Bord zu einem schönen Wasserkonzert verbindet.

Falado fahren ist schön.

Severin hat gestern als Drillsergeant die gesamte Mannschaft durch bestimmt sechs Wenden kommandiert. Das war Spaß!

Schnüffel