Aufbruchstimmung

Hundewache

Aus irgendeinem komischen Grund muss ich immer an den Tagen Logbuch schreiben, an denen ich Hundewache habe. Noch dazu habe ich gestern ausgerechnet, dass das die 55ste Hundewache für mich in den letzten 6 Monaten ist.

Aber es ist auch eine besondere Hundewache: die letzte mit meiner Mädchenwache.

Und eine besonders romantische: der Mond steht zunächst strahlendrot, dann käsegelb als riesige Scheibe knapp über dem Horizont, nur gelegentlich von schwarzen Wolkenfetzen verdeckt.

Und eine besonders angenehme: das nahe Brest, die Gedanken an zu Hause lassen die Zeit verfliegen. Als ich etwa 5 Minuten zu spät an Deck komme, schnattert mein Wachvolk schon wie ein Entenschwarm. Sie spielen ein Spiel: Wenn die Crewmitglieder Tiere wären, was wären sie dann? Gerade streiten sie darüber, ob ich eine Hyäne, ein Wiesel oder ein Pavian wäre. Alternativ ein Eichhörnchen. Etwas mehr Respekt vor dem Wachführer bitte! Und wie kommt man zu solchen Assoziationen? Immerhin kann ich sie mit meiner letzten Tüte Gummibärchen, die sogar die Rationierung überlebt hat, fast ruhigstellen und überlebe so die Wache.

Beim Frühstück setzen wir dann eine Arbeitsliste für den Tag fest. Balo und Schnüffel übernehmen heldenhaft die Aufgabe, die Bilge gründlich zu reinigen. Das soll sie dann auch etliche Stunden beschäftigen, wobei Schnüffels untrügliche Nase sogar die Bilgengabel findet, die sie dann allerdings für die nächste Crew wieder in der Bilge versteckt. Etliche Kilo Schlamm, Scherben, Socken und noch schlimmere Dinge verlassen so die Falado. Schnüffel und Balo sehen aus wie Arbeiter unter Tage.

Gleichzeitig spülen Rita, Sigrun und Alex das Besteck und sämtliches Geschirr mit Süßwasser. Der Rest der Crew räumt auf, besonders das Kabelgatt und unter den Kojen. Zusätzlich durchkämmt ein Team die Takelage nach kaputten Stellen oder ausgefransten Enden. Anschließend sieht die Falado fast aus wie neu, einzig das Deck mit seinen vielen offenen Stellen und dem nassen, schwarzen Holz darunter zeugt noch von den Strapazen.

Mittags gibt es als Festtagsmenü Nudeln in Lachssoße von Michael. Überall im Schiff herrscht jetzt eine gelöste Aufbruchsstimmung, weil jeder fühlt, daß sich die Reise nun langsam dem Ende zuneigt. Nachmittags entscheiden wir uns dann, zur Unterstützung die Maschine anzuwerfen. Es sind noch 120 Meilen bis Brest.

Severin

P.S.: Heute abend haben wir den 4. Funkspruch abgesetzt.

Mittagsposition: 48°52,0'N 008°25,0'W; Etmal: 123sm