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Nasse Hundewache und Wasserrationierung
Ein leichter Südwind, vor dem die Falado bei ruhiger See sacht ostwärts segelt. Das Schiff wiegt sich sanft in den Wellen, es ist angenehm warm und trocken.
Trocken? — Nein, nass. Plötzlich heben sich rechts und link steile Felsen aus dem Meer, das Schiff stampft und schlingert, während sich in der schwarzen See rasende Stromschnellen bilden. Schon ist das Deck unter Wasser, das ganze Schiff schüttelt sich wie wild im Salzwasser…
„Aufstehen, Hundewache!“ Irgendjemand rüttelt an meiner Schulter, dann beugt er sich über mich, Salzwasser trieft von seinem Südwester, im grellen Licht seiner LED-Stirnlampe sehe ich nur seinen dampfigen Atmen. „Los, aufstehen!“
Dann geht er weiter. Weil das Aufstehen so lange dauert, wecken wir immer zwanzig Minuten vor Wachwechsel. An Einschlafen ist jetzt eh nicht mehr zu denken, denn alle 15 Sekunden fällt ein salziger Tropfen auf mein Gesicht, etliche weitere auf den Biwaksack. Müde. Kalt. Nass. Als ich mich mit dem Ellenbogen abstütze, quillt Wasser aus der Matratze und tränkt meinen Pulli. Nachdem mein Schlafsack aber nur graduell trockener ist als das noch patschnasse Ölzeug, fällt der Wechsel vom einen ins andere nicht so schwer.
In der Bilge rauscht das Wasser mit jeder Welle hin und her, die Bodenbretter in der Kombüse sind ölig und glitschig. Immerhin scheinen die Kakerlaken das auch nicht zu mögen.
Was fällt mir zur Kombüse noch ein? Die letzten Kartoffeln sind verbraucht, H-Milch gibt es nicht, und das Milchpulver geht zur Neige. Irgendeine Art von Fleisch? Fehlanzeige. Ach doch: noch 200 Gramm Speck, und ein paar Dosen Corned Beef.
Nächste Station: Kartenhaus. Die Batterien sind fast leer, und der Jockel will auch nicht mehr. Immerhin funktioniert das GPS noch intervallweise. Blick auf die Karte: seit zwei Tagen dümpeln wir etwa 120 Seemeilen südöstlich von Boston bei Ostwinden und zwei bis drei Metern Welle. Etmal heute: ca. 35 Meilen.
An Deck ist es lausig kalt, Gischt spritzt und es regnet. Es geht sogar so weit, dass sich jeder darum reißt, unter Deck zu dürfen, um auf dem Klo Bilge pumpen zu dürfen. Die etwa tausend Schlag pro Wache werden aber gerecht verteilt, damit jedem Mal warm wird. Alle warten darauf, um zwanzig vor vier endlich mit triefendem Südwester und dampfendem Atem die nächste Wache wecken zu dürfen. 22. Tag, ein viertel des Weges geschafft.
Severin
P.S.: Im immerwährenden Auf und Ab der kollektiven Bordstimmung sind diese Tage nur ein Zwischentief. Ich bin ehrlich erstaunt und froh, dass es doch trotzdem noch eine sehr positive Stimmung gibt. Hut ab vor dieser Mannschaft.
Nachtrag von Michael
Jetzt doch noch ein paar Worte zu Tag 22. Eigentlich gibt es gar nicht so viel zu sagen, auch das Navtex scheint ratlos und erklärt, dass wir noch vier Tage auf Westwind warten dürfen. Naja, Essen gut, alles gut. Ein Fischer gibt die Auskunft, dass es nur noch 48 Stunden dauert, bis es weitergeht.
Dem Jockel wird es auch zu dumm, er verweigert den Dienst und springt erst zum Abendessen unter dem Jubel der Crew noch einmal kurz an. Stimmungshebend war auch, dass das Trinkwasser rationiert werden soll, und wir doch anfangen sollten, Regenwasser zu sammeln. Gemessen an der Feuchtigkeit im Schiff sollte sich da kein Problem ergeben.
Und auch am Abend wenig Wind aus der falschen Richtung.
Die Grenze der Zeitzone liegt nun schon seit Tagen zum Greifen nah und lacht uns aus.
Aber das wird schon noch, und den Gedanken ans Pfingstlager will ich auch noch nicht ganz aufgeben.
Michael
Mittagsposition: 41°02,0'N 067°54,9'W; Etmal: 35sm
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